Theaterworkshop

Theaterworkshop des 13. Jahrgangs zu

„Die Leiden des jungen Werther"

am Maxim Gorki Theater Berlin

 

Das Zentralabitur ist nun auch in Berlin in aller Munde! Plötzlich sollen sich alle Schülerinnen und Schüler über die gleichen festgelegten Themen den Kopf zermartern, expressive Großstadtlyrik analysieren und interpretieren, Hebbels Problematik in  „Maria Magdalena" sinnlich begreifen und einzelne Fragestellungen aus dem „Woyzeck" philosophisch erörtern können. „Werthers" Leiden sollen genauestens beleuchtet und nach Möglichkeit die entscheidenden Merkmale der Epoche Sturm und Drang herausgearbeitet werden. Hatte Werther sich nun an seinem Selbstmord schuldig gemacht? Oder war es gar dieser spießige Albert? Oder sollte es doch diese Lotte...?

 

Frontalunterricht allein, gespickt mit einigen anderen Sozialformen, kann diese Fülle von neuen Anforderungen nicht mehr abdecken. Schlagworte des neuen Rahmenlehrplans sind nun Handlungs- und Produktionsorientierung, sozusagen ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Der Schüler soll nun auch in seiner Sinnlichkeit, seinen Gefühlen, seiner Phantasie und seinem Tätigkeitsdrang angesprochen werden. Denn nur so kann er - laut neuester Didaktik! - ein Verständnis für die Besonderheiten der Textvorlage erlangen. Soziale Kompetenzen sollen wieder gestärkt und ein schöpferischer identifikatorischer Umgang mit der Literatur gefördert werden. Stichwort: Handelnd handeln lernen! Das klassische fragend-erörternde, zutiefst analysierende Unterrichtsgespräch soll nach Möglichkeit sinnvoll durch Rollenspiele, Standbilder, Diskussionsrunden, Gruppenpuzzles, Zeichnen einzelner Textstellen, Filmen oder Musizieren besonderer Sequenzen ergänzt bzw. ersetzt werden.

 

Ein besonderes Sahnebonbon ist es dann sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer, wenn ihnen bei dieser neuen Sensibilisierung „Menschen vom Fach" unter die Arme greifen?! Was also liegt näher, als an den klassischen Ort der Literatur - das Theater - zu gehen?

 

So machte sich der Deutsch-Grundkurs zusammen mit der Lehrerin Kristina Fischer auf den Weg zum Maxim Gorki-Theater, welches eine hervorragende Theaterpädagogik anbietet und die jungen Leser nicht nur aktiv, sondern auch attraktiv an die alten literarischen Stoffe heranführt.

 

In unserem Fall war die Sache nicht ganz so einfach, da es sich bei „Werther" ja bekanntermaßen um einen Briefroman, und nicht um ein Drama handelt. So kannten die Schüler zwar bereits das neue Aufgabenformat, bestimmte Textstellen in ein Standbild „einzufrieren", konnten es sich jedoch kaum vorstellen, wie ein solches „Tagebuch" mit mehreren Akteuren auf die Bühne gebracht werden kann. Hatte womöglich immer nur einer oder eine die Möglichkeit, sich mit der Rolle des Werthers zu identifizieren? Gab es gar keine Nebenrollen?

 

So wärmten sich die „Schauspielschüler" der Wilma-Rudolph-Oberschule zunächst mit einzelnen Textpassagen auf, die sie in verschiedenen Tonlagen im Raum umhergehend sprechen sollten. Anfangs wirkten viele noch recht schüchtern oder konnten sich ihr Kurzzitat vor Aufregung nicht merken. Später erfühlten sie sich die Dreier-Personenkonstellation Werther-Lotte-Albert in Kleingruppen, modifizierten den Text mit viel Spaß in einen garstig-ironischen Mittags-Talk und schrieben zu guter letzt eifrig einen Teil des Briefromans in ein Drama um. Die Verwunderung war groß, als diese Kürzungen und Annäherungen mit denen des Dramaturgen und Intendanten des MGT verglichen wurden und sich herausstellte, dass Werthers „Briefe" im MGT auf drei Personen aufgeteilt wurden, ohne dass es dabei zu einer allzu großen Verfremdung gekommen wäre.

 

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Eine Woche später besuchten wir die Aufführung - und waren begeistert. Mal abgesehen davon, dass Schüler eigentlich die konservativsten Zuschauer sind und möglichst keine zu modernen und flippigen Adaptionen der literarischen Vorlage sehen wollen!!! 

 

Doch insgesamt machte sich nach diesem Theaterworkshop mit Aufführung eine Meinung breit: Das Texte ausprobieren, mit Worten spielen, das Identifizieren mit der Rolle, mit dem Schauspieler, mit dem Theater, ja, sogar das in der Kantine sitzen, also: das Theater machen, Theater sehen und über Theater reden fand bei allen Schülerinnen und Schülern großen Anklang und kann von uns nur wärmstens weiter empfohlen werden!